Am Beginn seiner Ausbildung stand die Wiener Klassik, Bach und Schubert. Durch seinen Vater, der zwar nicht beruflich, jedoch ausdrucksstark Klavier spielte, lernte Gernot Sieber schon als kleines Kind viele Beethoven-Sonaten, das wohltemperierte Klavier und Schubert-Impromptus kennen und lieben. Mit ihm spielte er zu vier Händen Sinfonien von Haydn bis Bruckner, einen großen Teil der vierhändigen Originalliteratur und pflegte dies fast drei Jahrzehnte bis zum Tode des Vaters. So war es möglich, dass Gernot Sieber als Neunjähriger (nach 3 Jahren Klavierunterricht, Theorie und Chorgesang an der Volksmusikschule Hallen) am Mozarteum, der Salzburger Hochschule aufgenommen wurde. Dort entwickelte sich aus den Tonsatzstunden bei Friedrich Neumann, einem österreichischen Komponisten und Theoretiker, bald eine frühe Phase eigenen Komponierens, die bis in die gemäßigte Moderne reichte. Für das Klavier war der Salzburger Pianist, Kammermusiker und Mozartspezialist Kurt Neumüller zuständig.

Der junge Gernot Sieber mit dem Orchester des Salzburger Mozarteums

Der damalige Direktor des Mozarteums, der Dirigent, Komponist und Musikwissenschaftler Bernhard Paumgartner wurde bald auf den jungen Musiker aufmerksam und verpflichtete ihn bevorzugt als Solisten für Konzerte von Mozart und Beethoven. Das Erlebnis dieser herausragenden Künstlerpersönlichkeit war für Gernot Sieber die wichtigste Erfahrung seiner Kinderjahre. Mit 16 Jahren wechselte er seinen Studienort, da man Grenzen des Repertoires befürchtete. Er gewann den Kulturpreis der Deutschen Industrie und studierte an der Musikhochschule München bei Friedrich Wührer, einem damals international sehr bekannten und geschätzten Wiener Pianisten. Leider war die Wahl dieses hochrangigen Künstlers nur teilweise eine glückliche. Dankbar erinnert sich Gernot Sieber, dass man bei Wührer die zyklischen Werke von Schumann oder Brahms und die großen Sonaten von Schubert und Beethoven bewältigen lernte. Technisch war man jedoch völlig allein gelassen. In dieser Hinsicht wurde Gernot Sieber bald Autodidakt. Mozart, Chopin, Liszt, Debussy, Ravel,

Prokofieff und Bartók studierte er nunmehr allein, blieb aber trotzdem 4 Jahre in der Meisterklasse bei Friedrich Wührer, nachdem er 20jährig sein Abschlussexamen abgelegt hatte. Der entscheidende Impuls für seine weitere Entwicklung jedoch widerfuhr dem 30jährigen. Er entdeckte für sich die Musik der Neuen Wiener Schule, insbesondere die Klavierwerke Arnold Schönbergs, die für ihn eine notwendige „andere Seite“ des Repertoires darstellen und die er wiederholt in Konzerten aufführte.

Herausragend in seiner Konzertlaufbahn waren Tourneen mit Hans Stadlmair und seinem Münchner Kammerorchester, Duos: mit dem Pianisten Ansgar Janke, dem Cellisten Wilfried Rehm, mit der Flötistin lrena Grafenauer und der Sopranistin Edith Urbanczyk. Die Pflege alter Musik mit seiner verstorbenen Frau, der Blockflötistin Beatrix Sieber mag ein Grund dafür sein, dass Gernot Sieber, der leidenschaftlich gerne Cembalo und Klavichord spielt, diese Instrumente für Bach und Scarlett bevorzugt. Eine langjährige Zusammenarbeit verband ihn mit der Sängerin und Pädagogin Ingrid Bettag in einem Kurs für Liedinterpretation.

Für den BR, ORF und Radio Luxemburg nahm er u.a. Werke folgender Komponisten auf: Ch. Ph. E. Bach, Dittersdorf, Haydn, Mozart, Clementi, Schubert, E.T.A. Hoffmann, Weber, Mendelssohn-Bartholdy, Chopin, Liszt, Brahms, Strawinsky, Schönberg, Webern, Hindemith, Ludmilla, Krenek und Bresgen. Mit der Geigerin Gudrun Maria Schaumann besteht ein Duo, dessen Repertoire von Bach bis Bartók reicht. Ein besonderes Anliegen ist ihm die Aufführung der 32 Klaviersonaten von Beethoven in der Folge ihrer zeitlichen Entstehung in Verbindung mit wichtigen Klavierstücken.

Als Lehrer hat Gernot Sieber schon über 25 Jahre Erfahrung und wie viele andere schon vor ihm findet er: „Das meiste habe ich von meinen Schülern gelernt.“